Elfen­beinturm und Pharisäerfalle

Ist die Verwis­sen­schaft­li­chung des Glaubens und ihre 
dogma­tische Anwendung nicht die Hauptursache 
für die Entfremdung der Kirche von den Menschen?

Das Studium der Philo­sophie und der Theologie ist 
erfor­derlich, um Priester werden zu können. 
Voraus­ge­setzt wird eine Berufung. Wer die weiteren 
Zulas­sungs­be­din­gungen erfüllt, erhält die 
Pries­ter­weihe und ist seitens der Kirche für Seelsorge 
und Sakra­men­ten­spendung qualifiziert.

Doch offen­sichtlich wird mit diesem Verfahren 
das Ziel kirchlich organi­sierter Seelsorge und 
Sakra­men­ten­spendung heute nicht erreicht: immer 
weniger Christen, immer weniger Priester. 
Die Kirche schränkt als Folge ihre Dienste immer 
weiter ein und kann ihren Verkündigungsauftrag 
kaum noch erfüllen.

Sind die Verwis­sen­schaft­li­chung des Glaubens und 
damit die Akade­mi­sierung der Priester nicht die 
Haupt­ur­sache für die Entfremdung der Menschen 
von der Kirche? Fehlen der Kirche die Glauben 
vermit­telnden Lebens­bei­spiele? Warum gelingt es 
nicht, die notwen­digen Talente zu entdecken und 
zu engagieren?

Eignung für die Seelsorge?

Es gibt Männer, die mit Berufungs­idea­lismus Priester 
geworden sind, dann aber wegen des Zölibats ihren 
Dienst aufge­geben haben. Einige von ihnen haben sich 
durch ein weiteres Studium beruflich qualifiziert, 
so dass sie auf dem Arbeits­markt Fuß fassen konnten.

Aber es kann nicht nur an den Folgen des Zölibats
liegen,
dass die katho­lische Kirche immer weniger
Priester hat.
Die evange­lische Kirche verpflichtet
ihre Pfarre­rinnen und
Pfarrer nicht zur Ehelosigkeit.
Und doch laufen auch ihr
die Mitglieder davon.
Ist die Verwis­sen­schaft­li­chung des
Glaubens nicht
die eigent­liche Ursache des Abwan­derns
der
Gläubigen?

Ein junger Mann, der sich mit 16 Jahren zum Priester
berufen fühlt,
der aufgrund seiner biologischen
Ausstattung und von Seiten
seines Lebens­um­felds
nicht zum anderen Geschlecht
gedrängt wird, der
die Frömmigkeit der sogenannten
evange­li­schen Räte
für sich entdeckt hat – ist dieser junge
Mann mit
26 Jahren für die Seelsorge geeignet?

Lebens­ori­en­tierung geben

Wenn ein Arbeit­geber im Kernbe­reich seiner Tätigkeit 
die Arbeits­plätze nicht mehr besetzen kann, überlegt 
er sich: Was mache ich falsch? Ein kompe­tenter Berater 
würde ihn fragen: Was muss denn ein Pfarrer können? 
Aufgrund der Antworten und eigener Recherchen würde 
er ein Anfor­de­rungs­profil “Pfarrer” erstellen.

Ergebnis, verkürzt: Ein Pfarrer muss Gottes­dienste gestalten 
können, in die seine Zeitge­nossen jeden Alters und jeder 
gesell­schaft­lichen Stellung kommen, um Lebensorientierung 
zu erhalten. Und er muss die Sakra­mente so spenden 
können, dass sie von den Gläubigen als Meilen­steine des 
Lebens erfahren werden.

Dazu ist die Stand­fes­tigkeit einer ausgeglichenen 
Persön­lichkeit mit der überzeu­gender Fähigkeit zu 
kommu­ni­zieren notwendig. Solche Charaktere 
wachsen auf in einem sie tragenden Umfeld von 
Partner­schaft und Familie. Eine dominant auf 
intel­lek­tuelle Fähig­keiten ausge­richtete Ausbildung 
und eine zum Single-Dasein verpflichtete 
Lebens­weise kann das nicht leisten.

Die Kraft der Überzeugung

Die Verwirrung der Geister, die auch unter den Getauften 
herrscht, beruht darauf, dass wir alle unvollkommen 
sind: Wir irren uns und machen Fehler. Das wird durch 
kein Sakrament aufge­hoben. Der heilig lebende 
“Hirte” ließ und lässt sich nicht erzwingen, indem man 
trennt, was Gott aufein­ander verwiesen hat: Mann 
und Frau.

Wer sich selbst entrückt, bewegt sich von den Menschen 
weg. Das Lebens­bei­spiel verliert die Kraft der 
Überzeugung. Es fehlt die Liebe. Es gibt blendende 
Theologen; als Bischof wurde einer von ihnen 
bekannt und dann zum Rückzug bewogen, weil er 
seine Aufgabe und sein Amt missverstanden, 
manche sagen missbraucht hat.

Die heillose Überfor­derung der Bischöfe und Pfarrer 
heute, die ihre Ursachen in den fehllei­tenden Filtern der 
Nachwuchs­auswahl und der lebens­fernen Ausbildung 
hat, ließe sich mildern durch die Trennung von Verkündigen 
und Sakra­mente spenden. So wie es sich in den 
Gottes­diensten teilweise schon widerspiegelt.

Glaub­würdig sein

Jeder Getaufte ist berufen, Verkünder der Frohen 
Botschaft Gottes zu sein. Verkünden braucht 
kommu­ni­kative Fähig­keiten, auch zur professionellen 
Nutzung der Medien unserer Zeit. Das Lebensbeispiel 
muss bezeugen, dass Getaufte keine „besseren“,
aber glaub­würdige Menschen sind.

Das Spenden der Sakra­mente braucht Priester, deren 
charak­ter­liche Eignung und Bildung den Vorrang 
vor intel­lek­tu­eller Ausbildung hat. Die Verwurzelung 
des Glaubens in der Beauf­tragung der Apostel ist 
die Legiti­mation unserer Priester. Ihre Überzeugungskraft 
gewinnen sie als liebe­volle, den Menschen zugetane 
Personen.

Kirche heute lässt sich nicht mit den Herrschaftsmethoden 
vergan­gener Zeiten organi­sieren. Experimentierfreude 
ohne Sachkenntnis führt in den Dilet­tan­tismus. Es ist ein 
profes­sio­nelles Management notwendig. Der Hl. Geist 
hält sich an das Prinzip der Subsi­dia­rität: Was die Gläubigen 
selber regeln können, nimmt er ihnen nicht ab.

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