Harmonie auf Kosten Dritter

Überall, wo Menschen mitein­ander reden, ist zu beobachten, dass oft und gerne über andere, nicht anwesende Personen gesprochen wird. „Sie kennen doch den Müller…”, „Sie wissen doch, die Schmitz…”, „Hast du schon gehört…”, „Ist dir auch schon aufge­fallen…”, „Weißt du übrigens…”. Mit solchen Gesprächen lässt sich schnell Harmonie und gefühl­volle Einigkeit in einer Gruppe herstellen. Unsicher­heiten oder Aggres­sionen, die man gegenüber den anwesenden Personen hat, lassen sich auf diese Weise nach außen ableiten.

Viele Gruppen, ja ganze Völker oder Gesell­schaften, werden nur dadurch zusam­men­ge­halten, dass es einen gemein­samen Feind gibt. Feind­bilder haben mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun, bewirken aber in der Wirklichkeit viel Unheil.

Der Autofahrer, der auf der Autobahn den vor ihm fahrenden Verkehrs­teil­nehmer wegen seiner zöger­lichen Fahrweise beim Überholen auf das Unflä­tigste beschimpft hat, trifft den „Lahmarsch” dann zufäl­li­ger­weise auf dem nächsten Rastplatz. Die beiden kommen ins Gespräch und der Drängler erfährt, dass der Langsam­fahrer wegen der Großmutter hinten im Wagen so zurück­haltend fährt. Und er stellt fest: Eigentlich doch ein ganz netter Mensch.

Gerüch­te­küchen in Unter­nehmen entstehen durch Anony­mität, weil man sich nicht kennt, weil man nicht mitein­ander angemessen redet. In Unter­nehmen ohne bewusst gestaltete Kommu­ni­ka­ti­ons­struk­turen und ohne beispiel­ge­bendes Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­halten der Chefs gibt es in aller Regel Gruppen und Grüppchen, die ihre Vorur­teile pflegen, ihre Harmonie mit Klatsch und Tratsch herstellen.

Ein ausba­lan­ciertes, an den Unter­neh­mens­zielen und auf die angestrebte Unter­neh­mens­kultur hin orien­tiertes Mitein­an­der­reden bleibt unerreichbar, wenn das Kommu­ni­ka­ti­ons­system nicht als Führungs­aufgabe gestaltet wird.

Daher gehört zu den Quali­fi­ka­ti­ons­an­for­de­rungen aller Mitar­beiter, insbe­sondere aber zu den Anfor­de­rungen an die Führungs­per­sonen, dass ein Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­halten gepflegt wird, das Harmonie auf Kosten Dritter nicht zulässt. Dabei gilt es, ein großes Maß an Toleranz zur allge­meinen Einstellung werden zu lassen. Kollegen, die in ihrer Erschei­nungs­weise und in ihrem Verhalten auffällig sind, müssen vorur­teilsfrei akzep­tiert und dürfen nicht dazu herge­nommen werden, auf ihre Kosten Harmonie zu erzeugen.

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