Gesundheitssport führt zu Lebensqualität

Fragen an den Sport­wis­sen­schaftler Dr. Volkmar Feldt über eine Lebens­führung, die mit Hilfe von Gesund­heits­sport fit hält. Feldt ist Mitbe­gründer des Sport-Gesun­d­heits­­­parks in Berlin. Seine Arbeit gilt sowohl der Rehabi­li­tation, beispiels­weise nach Herzin­farkten, als auch der Vorbeugung sogenannter Zivili­sa­ti­ons­krank­heiten. 

Paul Halbe: Wie viel Aufmerk­samkeit sollte man seiner Gesundheit schenken?

Volkmar Feldt: Das hängt von dem Begriff Aufmerk­samkeit ab. Gesunde Lebens­führung muss habitua­li­siert sein, beispiels­weise sollte Süßes, Ungesundes erst gar nicht gekauft werden. Bewegung, auch Gymnastik muss selbst­ver­ständ­licher Bestandteil des Alltags sein – also ohne besondere Aufmerk­samkeit gemacht werden.

Paul Halbe: Welche Bedeutung hat die geistige und seelische Verfassung eines Menschen für seine Gesundheit?

Volkmar Feldt: Sehr wahrscheinlich eine Überra­gende! Durch Hormone und Vegeta­tivum sind Körper, Geist und Seele in vielfäl­tiger Weise inein­ander verwoben. Eine Trennung ist gar nicht möglich.

Paul Halbe: Noch nie hatte die Menschheit aufgrund wissen­schaft­licher Erkennt­nisse eine größere Chance, gesund zu leben, als heutzutage. Haben frühere Genera­tionen Pech gehabt oder wusste man schon immer, was dem Menschen gut tut?

Volkmar Feldt: Das Wissen um Gesundheit nimmt in unserer Zeit exponen­tiell zu. Insofern hatten frühere Genera­tionen in der Tat Pech. Die Frage ist jedoch, ob unsere Zeitge­nossen das Wissen auch richtig umsetzen. Denkt man an die vielen Bewegungs­man­gel­er­kran­kungen so sind Zweifel angebracht.

Paul Halbe: Ist Gesund­heits­sport, der einmal in der Woche gesellig getrieben wird, ausrei­chend für das Wohlbe­finden oder sollte beispiels­weise Gymnastik indivi­du­eller Teil des Tages­ab­laufs sein?

Volkmar Feldt: Soziale Kontakte bei der Bewegung sind sehr dienlich für die Motivation. Aber sie sind nicht ausrei­chend. Damit wird der notwendige Energie­ver­brauch pro Woche nicht sicher gestellt. Der ist zwar indivi­duell verschieden, aber einmal Fußball­tennis in der Woche ist in jedem Fall zu wenig. Entwick­lungs­ge­schichtlich ist der Mensch an muskuläre Arbeit gebunden, um gesund zu bleiben.

Paul Halbe: Sind Nahrungs­er­gän­zungs­mittel notwendig?

Volkmar Feldt: Nein. Wenn die Grund­lagen gesunder Ernährung berück­sichtigt werden, reicht das völlig aus.

Paul Halbe: Kraft­training und Dehnungs­übungen assoziiert man vor allem mit Leistungs­sportlern und körper­be­wussten jungen Leuten. Jetzt ist zu hören, dass auch ältere Menschen „an die Geräte” sollten. Ist das eine Verkaufsmasche?

Volkmar Feldt: Nein. Ein kontrol­liertes, geräte­ge­stütztes Training ist bis ins hohe Alter förderlich für die Gesundheit. Einmal in der Woche „an die Geräte” ergänzt hervor­ragend die häusliche Gymnastik, die man zweimal in der Woche betreiben sollte.

Paul Halbe: Geht es auch ohne Geräte mit entspre­chender Gymnastik?

Volkmar Feldt: Nur Gymnastik ohne Geräte ist besser als gar nichts. Aber optimal ist das nicht.

Paul Halbe: Was ist allen Menschen an Körper­lichkeit gemeinsam, so dass der Gesund­heits­sport nicht immer indivi­duell diffe­ren­ziert werden muss?

Volkmar Feldt: Die biolo­gi­schen Deter­mi­nanten der Menschen sind gleich – abgesehen von geneti­schen Beson­der­heiten. Daraus folgt, dass auch die Prinzipien der Bewegungen gleich sind – beispiels­weise der Verbrauch an Kiloka­lorien. Auch die motori­schen Grund­ei­gen­schaften wie Kraft, Ausdauer und Beweg­lichkeit sind bei allen Menschen mehr oder weniger gleich.

Paul Halbe: Im Laufe des Lebens verändern sich die Bedin­gungen für die Gesundheit. Welche Verän­de­rungen sind allgemein kennzeichnend?

Volkmar Feldt: Die alters­spe­zi­fi­schen biolo­gi­schen Abbau­pro­zesse wie der Verlust von Kraft, Ausdauer und Sensorik sind eng mit dem im Alter oft zu beobach­tenden Bewegungs­mangel verbunden. Wird zu wenig getrunken, so beein­trächtigt auch das die Gesundheit des älteren Menschen aufgrund von Flüssig­keits­verlust. Eine gesunde Lebens­führung hilft indes Alters­er­schei­nungen erheblich zu begrenzen.

Paul Halbe: Welche gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen muss der Mensch akzep­tieren, wenn er älter wird?

Volkmar Feldt: Keine! Das notwendige Maß körper­licher Aktivität ist über den Stoff­wechsel weitgehend erforscht. Ein Energie­mehr­ver­brauch von ca. 2000 kcal pro Woche durch körper­liche Aktivi­täten gegenüber dem Ruheumsatz ist ausrei­chend. Die Bewegung sollte sowohl Gymnastik zur Kräftigung und zum Erhalt der Beweg­lichkeit als auch Bewegungen in Dauerform wie Gehen, Wandern, Radfahren und Schwimmen beinhalten. Das notwendige Maß an Wieder­ho­lungen, beispiels­weise für das Kraft­training, ist noch nicht genau erforscht.

Leider werden immer noch Forschungs­er­geb­nisse aus dem Leistungs­sport auf den Gesund­heits­sport übertragen. Das ist unredlich und führt zur Verun­si­cherung. Denn es geht nicht um Leistung. Im englisch­spra­chigen Raum gibt es den Begriff “Sport” in Assoziation mit Gesundheit nicht, man spricht hier von “physical-activity”. Gesunde Lebens­führung ist durch die Bereiche Bewegung, Ernährung und Entspannung deter­mi­niert, sie bedingen einander. Der Mensch ist bis ins hohe Alter trainierbar.

Paul Halbe: Welche Rolle spielt das soziale Umfeld für die Gesundheit?

Volkmar Feldt: Es gibt große indivi­duelle Unter­schiede. Allgemein: Soziale Kontakte sind für Menschen essen­tiell. Harmonie im sozialen Umfeld ist zwar grund­legend für die Gesundheit, kann aber wegen der unethi­schen Aspekte einer notwen­digen Kontroll­gruppe nicht evidenz­ba­siert erforscht werden.

Paul Halbe: Reicht Wohlbe­finden als Lebenssinn?

Volkmar Feldt: Wohlbe­finden ist ein subjek­tives Empfinden. Auch der Fixer fühlt sich nach seinem Heroin­schuss wohlig. Lebens­qua­lität ist das primäre Ziel von Bewegungsprogrammen.

Paul Halbe: Was ist besser: Voller Freude beim Wandern die Natur zu erleben oder die Natur als sport­liche Heraus­for­derung zu sehen?

Volkmar Feldt: Beim Wandern die Natur zu erleben!

Paul Halbe: Wie erreicht man ein Körper­be­wusstsein, das gegenüber Geist und Seele nicht dominant wird?

Volkmar Feldt: Diese philo­so­phische Frage ist so komplex und die Antwort multi­fak­to­riell, dass wir sie bei einem guten Rotwein disku­tieren sollten.

Feldt: 2009

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