Viertes Gesätz

Vater unser (5)

Vater unser im Himmel

Wir dürfen uns Gott als Kinder nähern, denen vergeben wird, wenn wir aus Unwis­senheit Fehler machen, Schaden anrichten und übermütig sind. Kinder, die sich aber auch recht­fer­tigen müssen für ihr Denken, Reden und Handeln.

geheiligt werde dein Name

Wir können uns Gott verweigern und uns zu Zauber­lehr­lingen aufschwingen. Als geist­be­gabte Geschöpfe können wir unter­su­chend und entde­ckend hinter Geheim­nisse seiner Schöpfung kommen und aus den gewon­nenen Erkennt­nissen Neues schaffen. Mit dem Anspruch, wir seien die Herren der Welt.

Aber wenn wir das „Made by God“, das auf allem steht, leugnen und uns selbst in unserer Unvoll­kom­menheit zu Herren der Welt aufschwingen, hat das Folgen, wie die Geschichte beweist: Kriege, Umwelt­zer­störung, Mord und Todschlag.

dein Reich komme

Die Zahl der Menschen, die das Heil ihres Lebens in der Vollkom­menheit Gottes als Hoffnung nicht kennen oder verloren haben, nimmt zu. Wohlstand wird verlangt: hier und jetzt. Das Stichwort dazu heißt: Soziale Gerechtigkeit.

Das ist ein Programm der Umver­teilung, durch­ge­führt von der Staats­macht, in das christ­liche Forde­rungen zur Selbst­lo­sigkeit einge­gangen sind, die aber diesseitig verkürzt sind und demago­gisch missbraucht werden.

dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden

Vor dir kann ich mich nicht mit dem Satz vertei­digen: „Die Kirche hat aber …“ – das gibt höchstens mildernde Umstände. Wenn Amtsträger der Kirche mit den Mitteln der Demagogie und dem Anspruch akade­mi­scher Ausbildung und unanfecht­barer Intel­lek­tua­lität und unter Berufung auf dich und die Kirchen­lehrer der vergan­genen Jahrhun­derte mir nach ihrer Ansicht sündhaftes Denken, Reden und Handeln erst einreden und dann austreiben wollen – ich werde es demütig bedenken, aber mir treu bleiben. Die Verant­wortung für mein Leben kann mir niemand, auch nicht die Kirche abnehmen.

unser tägliches Brot gib uns heute

Gesell­schaften, die sich zu Überfluss­ge­sell­schaften entwi­ckelt haben, deren Staatsziel grenzen­loser Wohlstand ist, deren Lebens­ein­stellung zum Überflüs­sigen tendiert, deren Menschen verfetten – in solchen Gesell­schaften trifft viele Menschen geistige Not. Sie sind nicht glücklich, ohne zu wissen warum; sie geraten hinein in die Strudel der Verwirrung der Geister, glauben an Heilung durch Ärzte und Psychiater.

Da ist es schmerzhaft zu erleben, dass die Kirche es nicht vermag, die geistige Not zu lindern. In ihrer Lieblo­sigkeit schiebt sie die Schuld für ihr Versagen einem von ihr so genannten Zeitgeist zu, statt diesen Zeitgeist mit ihrer liebe­vollen Hinwendung zu den Menschen und dem Zeugnis der Liebe zuein­ander zu durchdringen.

vergib uns unsere Schuld

Orien­tierung finden wir, wenn wir die Bibel lesen und über das Gelesene nachdenken, meditieren, unsere Gedanken in Tagebuchform formu­lieren, wenn wir uns mit anderen über das Gelesene austau­schen, wenn wir Autoren lesen und Prediger hören, die ihre Ausle­gungen anbieten, aber nicht aufdrängen, wenn wir die autori­sierten Lehrmeister der Kirche als richtung­gebend bedenken. Aber Vorsicht vor Demagogen! Rede und Lebens­zeugnis müssen übereinstimmen!

wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Wenn der verge­bende Mensch, sein Verzeihen als großmütige Handlung versteht, als Geste der Überle­genheit eines Tugend­haften, dann macht er sich schuldig. Wenn er der Überzeugung ist, nur der andere müsse sich ändern, habe die Verpflichtung zur Besserung, dann missachtet er die Kraft der Liebe, die im Verzeihen und Verbessern steckt.

und führe uns nicht in Versuchung

Herr, bei aller Anstrengung: Ohne deinen Beistand entkommen wir nicht den Gefahren des Lebens. Wir können nicht alles vorher­sehen und richtig einschätzen. Wir können nicht allen Menschen, die für uns gefährlich sind, ausweichen oder ihren Verfüh­rungs­künsten wider­stehen. Die Milieuein­flüsse können überwäl­tigend sein.

Macht­haber können uns zu etwas zwingen, was wir nicht wollen. Oder wir werden umworben, umgarnt, verführt. Es fängt ganz harmlos an, entspricht sogar unseren Überzeu­gungen, ist vernünftig und verständlich – aber endet in der Katastrophe.

Deshalb: Lass mich Verharm­lo­sungen des Bösen und Verdre­hungen deiner Wahrheit erkennen! Gib mir die Kraft, recht­zeitig Nein zu sagen! Stärke mich in der Einstellung, verzichten zu können! Wenn etwas unumgänglich ist, stehe mir bei im Ertragen und Leiden!

Gib mir die Kraft, meiner Gefühle Herr zu werden! Lass mich meinen Verstand gebrauchen! Lass Menschen um mich sein, die mir helfen, mich stützen, mich retten! Lenke meine Gedanken, mein Reden und Handeln auf dich hin, auf die Wege, die zu dir führen!

sondern erlöse uns von dem Bösen

In dieser vorläu­figen, von Bosheit befal­lenen und durch den Tod gekenn­zeich­neten Welt gibt es die Hoffnung auf dein Reich. Unser Bemühen um Überleben müssen wir in diesen Horizont stellen. Dann haben wir die Chance, mit unserer Lebens­ge­staltung und deiner Hilfe der Erlösung von der Bosheit dieser Welt näher zu kommen.

Amen

Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade

Es gibt Orte, an denen du, Maria, Menschen erschienen bist. Orte, die zu Wallfahrts­orten geworden sind. In Lourdes geschehen medizi­nische Wunder. Viele Menschen erfahren sie voller Gläubigkeit.

der Herr ist mit dir

Die Menschen, denen du erschienen bist, reden von einer „wunder­schönen Frau“, die zum Beten auffordert. Beim Beten stelle ich mir dich als „wunder­schöne Frau“ vor, die Gott so nahe ist wie kein anderer Mensch.

du bist gebenedeit unter den Frauen

Das ist eine grandiose Aufwertung aller Frauen: Sie sind berufen und befähigt, an der Orien­tierung der Welt auf Gott hin mitzu­wirken, nicht als Beiwerk, sondern als Gebäre­rinnen und Mütter von Glaube, Hoffnung und Liebe.

und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus

Die Frucht deines Leibes: unser Heil, unsere Chance, unser Vorbild, unser Wegbe­reiter, unsere Hoffnung, unsere Licht­ge­stalt, als unser „Weg, die Wahrheit und das Leben“.

Einschub: der die Kirche für uns hat entstehen lassen

Ohne die Kirche hätte uns deine Frohe Botschaft, Herr, nicht erreicht. Sie hätte sich im Laufe der Jahrhun­derte verflüchtigt, wäre im Sand der Geschichte versi­ckert. Ohne Kirche würden die Menschen nicht heraus­ge­fordert, sich für oder gegen dich zu entscheiden. Ohne Kirche könnten wir deiner Gnade nicht teilhaftig werden.

An dieser Stelle des ersten und dann der weiteren neun „Gegrüßet seist du Maria“ des vierten Gesätzes rufe ich mir die Führungs­per­sonen meiner, unserer, deiner Kirche ins Bewusstsein – den Papst, die Bischöfe und die weiteren Personen, die Frauen und Männer in den Klöstern, die Männer und Frauen in den Familien, in der Berufswelt, in der Politik, in den Pfarreien, deine dir wegen ihres Dienstes besonders geweihten Männer, die Priester – und ich bitte Gott den Herrn darum, dass er sie alle mit seinem Geist erfüllt, sie ihre Einheit in der Vielfalt erfahren und sie zu Zeugen seiner Liebe werden lässt.

heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für mich Sünder

Wir leben vielfach im Wider­spruch zu Gottes Wahrheit und Willen, weil wir schwach sind und nicht dem als Gottes Wahrheit Erkannten folgen. Zu wissen, dass du, Maria, voller Liebe bei uns bist als unsere Fürspre­cherin bei Gott – das gibt Zuver­sicht und Mut, schenkt Freude.

jetzt und in meinem weiteren Leben

Mein weiteres Leben? Ich muss mich ihm stellen, es annehmen, darf mich nicht verstecken, muss mich unentwegt weiter entwickeln.

Amen

Spontane Gedanken zu den folgenden neun „Gegrüßet seist du Maria“ des vierten Gesätzes mache ich mir nach dem Einschub (vor der Hinwendung „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder“). 

Abschluss des vierten Gesätzes:

Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie es war am Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit!

Gott, der als zeit- und raumlose Gestalt, der ist, der er ist, für uns nicht fassbar, ihm geben wir die Ehre. In seiner Ewigkeit verschmelzen Vergan­genheit, Gegenwart und Zukunft. Seine Wahrheit gilt raum- und zeitlos. Sie währt ewig.

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