Gott ist in allem vollkommen.

Wie ich versuche, die Gebote Gottes als
meine Lebens­wirk­lichkeit zu verstehen

Als Jungs hatten wir genügend unflätige Worte, wenn wir uns derb ausdrücken wollten. Gott wurde von uns nicht in diese Abartigkeit einbe­zogen. Ohne darüber nachzu­denken. Passte irgendwie nicht. Überhaupt war Fluchen nicht unsere Redensart. In späteren Jahren verlor sich bei mir und meinen Freunden vulgäres Reden.

Als ich andere Religionen kennen­lernte und Prediger verschie­dener christ­licher Kirchen hörte – heute im Fernsehen auf einer ganzen Reihe von Kanälen möglich –, kam mir die Frage: Woher wissen die das alles so genau, was sie im Namen Gottes behaupten? Kommt da nicht eine unange­messene Anmaßung zum Vorschein?

In der Verkün­digung des Glaubens und die Auslegung der Evangelien war nicht die Beschei­denheit zu erkennen, die unser aller Unwis­senheit angemessen gewesen wäre. Kein Studium kann diese Unwis­senheit aufheben.

Lebens­er­fahrung und unauf­hör­liches Erkennt­nis­streben, zum Ausdruck gebracht mit sprach­lichen und rheto­ri­schen Fähig­keiten, erfüllt von Liebe zu Gott und den Menschen – so meine Erwartung – müsste sich beim Verkünden von Gottes „Froher Botschaft“ glaub­würdig mitteilen.

An zwei Stellen des Alten Testa­ments wird Gottes zweites Gebot aufgeführt:

Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes,
nicht missbrauchen > Buch Exodus
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes,
nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht
ungestraft, der seinen Namen missbraucht.
> Buch Deuteronomium

In der Liebe Gottes leben!

Der Name allen Ursprungs ist „Gott“. Kein Mensch hat sich selbst geschaffen. Jeder ist Frucht seiner Vorfahren. Nichts hat der Mensch aus eigener Ursprungs­kraft erschaffen, alles entnimmt er als „Rohstoff“ und „Vorlage“ der vorge­fun­denen Schöpfung.

Raum und Zeit der Schöpfung übersteigen in ihren Dimen­sionen die mensch­liche Vorstel­lungs­kraft. Der Mensch kann sie ansatz­weise errechnen, kann die Schöpfung in ihren Zusam­men­hängen erfor­schen und sich zu Nutze machen.

Und außerdem: Der Mensch kann Liebe schenken und annehmen, sich schenken und angenommen werden. Denn er ist als Geschöpf seinem Schöpfer ähnlich. In der Liebe Gottes leben – so werde ich meinem Sein als Geschöpf gerecht.

Wir sind Gott ähnlich, nicht gleich!

Wenn ich „Gott sei Dank“ sage, entspringt das meinem Glauben an Gott, den Allmäch­tigen. Wenn ich von Gott spreche und im Glauben an ihn denke, rede und handle, kann das nur in aller Demut geschehen.

Was an der Schöp­fungs­ordnung völlig vorbei geht: In Gottes Namen reden und handeln, als sei ich vollkommen und nicht sein Geschöpf. Wir alle sind Gottes unvoll­kommene Geschöpfe, die nur aufgrund seiner Vollkom­menheit existieren.

Jeder Mensch irrt sich und macht Fehler. Damit sind wir dauernd beschäftigt. Niemand ist von dieser Unvoll­kom­menheit des Nicht­wissens und Nicht­könnens ausge­nommen. Es fällt uns schwer, uns das einzugestehen.

Die Versu­chungen der Priester

Das Volk Israel verehrt Gott in einer Fülle von rituellen Handlungen. Das Alte Testament beschreibt, wie und womit die Israe­liten sich Gott zuzuwenden hatten, Gott, der sich ihnen als Schöpfer „des Himmels und der Erde“ offenbart hatte.

Für alle Priester, die Glauben vermitteln und die rituellen Handlungen des Glaubens ausführen und die als „Kaste“ insti­tu­tionell organi­siert sind, ist es eine ständige Versu­chung, sich Gott näher zu sehen als die übrigen Gläubigen. Das ist die „Phari­sä­er­falle“.

Viele Priester neigen immer wieder dazu, ihre Autorität nicht als Diener Gottes wahrzu­nehmen und einzu­setzen, sondern an Stelle Gottes autoritär aufzu­treten. Priester, die dieser Versu­chung erliegen, missbrauchen den Namen Gottes.

Die „Im Namen Gottes“ Unheil stiften

„Im Namen Gottes“ ist im Laufe der Jahrhun­derte schon viel Böses geschehen. Sowohl in der Ausein­an­der­setzung der Völker und Glaubens­ge­mein­schaften unter­ein­ander als auch im Umgang einzelner Menschen miteinander.

Der Name Gottes wird missbraucht, um den eigenen Vorstel­lungen Geltung zu verschaffen, um Ansehen zu gewinnen, verehrt zu werden, Macht über andere Menschen zu erlangen; auch um Vorteile zu erlangen, Privi­legien zu genießen.

Früher wurden Religi­ons­kriege geführt, heute leiden wir unter der Geißel des religiösen Fanatismus. Die Unter­schiede zwischen den religiösen Vorstel­lungen werden heraus­ge­stellt, nicht die Gemeinsamkeiten.

Missachtung der Schöpfungsordnung

Sich selbst an die Stelle Gottes setzen – das ist die Ursünde des Menschen. Wie Gott sein wollen. Sich seiner Autorität bemäch­tigen. Ihn in den Himmel abschieben, um sich an seiner Statt auf der Erde auszubreiten.

Herrschafts­systeme errichten und Gott als religiösen Überbau missbrauchen – das verschafft Macht und macht unangreifbar. Dann kann man „zum Heil der Menschen“ jedes Unheil anrichten, Freiheit und Frieden zerstören.

Die Völker der e i n e n Welt haben nach den Schrecken des letzten Weltkriegs zwar die Vereinten Nationen geschaffen, aber an der Missachtung von Gottes Schöp­fungs­ordnung hat sich wenig geändert.

Missachtung der Liebe Gottes

Sexua­lität gehört zu unserer Person, ist jedem in unter­schied­licher Inten­sität geschenkt. Der Umgang mit unserem Körper, also auch mit unserer Sexua­lität, gehört zu den lebens­langen Aufgaben unserer Selbstentwicklung.

Als Kinder und Jugend­liche brauchen wir Bezugs­per­sonen, die ein Beispiel dafür geben, wie man mit seinem Körper verant­wor­tungsvoll umgeht, wie man Gesundheit, Vitalität, Kraft und Schönheit pflegt und nicht gefährdet.

Wer zur Sexua­lität verständ­nislose Anfor­de­rungen stellt, bei Verfeh­lungen lieblos verur­teilt und es versäumt, die Spann­weite der Sexua­lität als Geschenk Gottes in die Gegenwart einzu­bringen, der wirft mit Steinen – und sitzt im Glashaus.

Sexueller Missbrauch wird bei uns verab­scheut. Gleich­zeitig ist in unserer Gesell­schaft die Sexua­lität aus dem Tabu liebe­voller Zuneigung heraus­geholt und als Sex zum verant­wor­tungs­freien Lebens­genuss gemacht worden. Das ist Missbrauch der Liebe!

Wer auch immer in die Öffent­lichkeit hinein­wirkt und dabei Sexua­lität verfüh­re­risch einbringt, betreibt Missbrauch des Geschenks unserer Liebes­fä­higkeit und ist ein Heuchler, wenn er über die Misse­täter herfällt.

Freiheit wozu?

Gott hat uns Freiheit gegeben, damit wir sie zur Lebens­be­wäl­tigung in unserem Leben hin zu ihm nutzen. Wir missbrauchen sie, wenn wir unser Freiheits­ge­schenk missachten: Uns anderen überlassen oder von Lust und Laune treiben lassen.

Spätestens als Erwach­sener sollte man seine Freiheit dazu nutzen, auf die eigenen Füße zu kommen und selbständig zu leben. Anstren­gungen vermeiden und ein bequemes Leben führen, ist eine Provo­kation Gottes.

Wer seine eigenen Fähig­keiten nicht entwi­ckelt und nutzt, sondern immer nur andere um Hilfe bittet sowie Gott anruft, für ihn zu sorgen, der missbraucht den Namen Gottes, statt „im Schweiße seines Angesichts“ sich selbst zu helfen.

Die Autoren des Neuen Testa­ments berichten, dass Christus sich den Menschen entzog, sobald sie ihn aufgrund seiner Worte und Taten zu ihrem Anführer, zu ihrem König machen wollten. Er ließ sich nicht missbrauchen.

Wem folgen?

Manche geben zugunsten eines sie begeis­ternden Menschen ihre Freiheit auf, stellen ihre Talente in den Dienst ihres Idols. Belohnt werden sie mit Gunst­be­zeu­gungen, Ehren­zeichen, Titeln und Beförderungen.

Demagogen sind gefähr­liche Menschen. Sie können andere in ihren Bann ziehen, verführen. Sie sind oft intel­ligent, attraktiv, gebildet, erfolg­reich. Die Versu­chung ist groß, sich einem solchen Menschen anzuschließen, ihm als Vorbild nachzueifern.

Jeder, der mir meine Freiheit nimmt, der von mir Gehorsam und Unter­ordnung fordert, der behauptet, nur unter seiner Führung käme ich meinem Heil näher, missbraucht Gott. Solchen Menschen muss man wider­stehen oder fliehen.

Als Erwachsene sind wir für unser Leben verant­wortlich. Nach den Jahren
des Heran­wachsens in der Obhut von Eltern, Betreuern, Erziehern und Lehrern gilt es, unsere Weiter­ent­wicklung in die eigenen Hände zu nehmen: Eigen­ständig werden!

Demütig und bescheiden leben!

Viele haben Erfolg, machen Karriere. Ihr Bekannt­heitsgrad steigt, mehr und mehr Türen öffnen sich. Sie steigen auf zum Meinungs­führer oder in der Ämter­hier­archie. Und das Selbst­be­wusstsein wächst. Der Kopf wird immer höher getragen. Wenn dann noch die Status­symbole dazukommen: Die Versu­chung zur Selbst­herr­lichkeit ist da.

Es tut gut, nach Vorträgen, Buchver­öf­fent­li­chungen und Fernseh­bei­trägen Anerkennung und Lob zu erfahren. Das bestärkt einen darin, mit seinen Projekten etwas bewirkt zu haben. Die Selbst­zweifel weichen und man fühlt sich groß.

Wer auf dem Pilgerweg seines Lebens das Ziel nicht aus den Augen verlieren will, darf nicht abheben, sondern muss sich zurück­nehmen, wann immer ihn seine Mitmen­schen „zum König“ machen wollen. Als Kind Gottes und Jünger Christi demütig sein!

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