Tattoos

Eine neue Kultur zur Darstellung
seiner Identität?

Nicht nur am Strand ist zu beobachten: Immer mehr, vor allem junge Menschen, lassen sich Tattoos stechen. Was machen sie damit von sich sichtbar? Was bedeutet diese Selbstkennzeichnung?

Eine Gruppe Wiener Studenten hat sich mit dem Thema beschäftigt: Stich:Punkte, Theorie und Praxis der Tätowierung. In sechs Aufsätzen, einem Interview und drei Rezen­sionen setzen sich die Autoren mit geschicht­lichen, subkul­tu­rellen und zeitge­nös­si­schen Erschei­nungs­formen von Tätowie­rungen ausein­ander. Es werden nicht nur die verschie­denen Vorur­teile Tätowierten gegenüber behandelt, sondern auch das Verhältnis von Tattoos und Kunst, Tattoos in Jugend­kul­turen und bei Modern Primi­tives, Gang- und Knast-Tätowie­rungen, Körper­normen und Schön­heits­vor­stel­lungen. Inter­viewt wird der Fotograf Klaus Pichler, der einen Bildband zum Thema mit dem Titel „Fürs Leben gezeichnet” veröf­fent­licht hat.

Isabelle Poncette, Studentin der Kultur- und Sozial­an­thro­po­logie, befasst sich mit Tätowie­ungen als Mittel der Identitäts-Generierung in der Adoleszenz. Im Abstract zu ihrem Artikel schreibt sie:

„Oft werden Tätowie­rungen als Gestal­tungs­mög­lichkeit der eigenen Identität gesehen oder zumindest als Mittel zur Beein­flussung, auf welche Weise man von seinen Mitmen­schen wahrge­nommen wird. Mit ihrem bleibenden Charakter werden Tätowie­rungen gewisser Maßen zu einem Teil des Körpers und somit zu einem Element der physi­schen Selbstdarstellung.

Schaut man auf diesen Aspekt der Identi­täts­schaffung bezie­hungs­weise ihrer ‑insze­nierung, ist eine Alters­gruppe von beson­derer Relevanz: die Jugend. Im Zeitraum der Adoleszenz geht es, allgemein gesprochen, um die eigene Positio­nierung im sozialen Umfeld, um die Etablierung der Identität. Es ist naheliegend, dass daher in dieser Phase gesto­chene Tätowie­rungen eine besondere Verknüpfung zur Identi­täts­ge­ne­rierung aufweisen. Dabei ist es sehr aufschluss­reich, nicht nur Praktiken der westlich-postmo­­dernen Gesell­schaften zu unter­suchen, sondern den Blick auch auf zeitlich und örtlich andere Kontexte zu lenken.

Spannende Fragen in diesem Zusam­menhang sind unter anderem:

  • Welche Unter­schiede und Paral­lelen lassen sich zwischen den oft zeitlich weit zurück­rei­chenden Tätowier-Praktiken indigener Gesell­schaften und dem zuneh­menden Tätowier-Trend westlicher Jugend­licher finden?
  • Welche Rolle spielen evolu­ti­ons­bio­lo­gische Faktoren und Körperideale?
  • Inwiefern beein­flussen gesell­schaft­liche Konven­tionen die Bedeutung von Tätowierungen?

Mit dem Ziel diese und ähnliche Fragen zu konkre­ti­sieren, kann es sehr spannend sein, einen spezi­fi­schen Gesell­schafts­aus­schnitt heraus­zu­greifen. Ein aufschluss­reiches Fallbei­spiel ist die Praxis des Tätowierens in der Jugend­kultur der Punks. Mit ihrem, in vielerlei Hinsicht, extremen Umgang mit Körper­mo­di­fi­ka­tionen stellen sie nicht nur ein prägnantes Beispiel für (Selbst-)Inszenierung durch Tätowie­rungen dar, sondern können ebenfalls als prägend für die heutige Entwicklung und Rezeption westlicher Tätowie­rungen gesehen werden.”

Die zu einem Buch zusammen gefassten Aufsätze sind bei Hammock­Tre­eRe­cords 2012 erschienen: Stich:Punkte, Reihe Junge Wissen­schaft Band 3, ISBN 978–3‑9503048–5‑5, 187 Seiten, 14,90 Euro.

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