Satire

Wie Sie Ihre Ehe zum Scheitern bringen

Noch immer ist die Hälfte der Ehen in Deutschland nicht geschieden –  ob aus Bequem­lichkeit, aus Unver­mögen, falscher Rücksicht­nahme oder überholten Moral­vor­stel­lungen sei dahin­ge­stellt –  für die Aufmi­schung der Gesell­schaft durch zeitgemäße Paarung ist das kontra­pro­duktiv. Denn wie soll der Wohlstand in Deutschland erhalten werden ohne die notwendige Flexi­bi­lität und Mobilität der Menschen?

Tipps und Ratschläge, deren Befolgung garan­tiert Wirkung zeigen — und was Sie vor Ihrer nächsten Ehe bedenken sollten

Zyklus einer Beziehung:

  1. Partner­suche
  2. Kennen­lernen
  3. Vorehe­liches Zusammenleben
  4. Hochzeit
  5. Ehealltag
  6. Kinder
  7. Famili­en­alltag
  8. Trennung
  9. Scheidung
  10. Wieder Singl

Tipps und Ratschläge für Männer
und Frauen bei der Partner­suche

(Phase 1)

  • Suchen Sie die Liebe auf den ersten Blick: Es muss sofort funken!
  • Sammeln Sie Redewen­dungen für die Anmache und probieren Sie sie aus!
  • Erfinden Sie eigene Formu­lie­rungen zur Anmache! (Führen Sie Buch über Ihre Anmache!)
  • Gehen Sie von dem Grundsatz aus: Gegen­sätze ziehen sich an! (Wie sollte er aussehen? Wie sollte sie aussehen?)
  • Seien Sie skrupellos! Wer Sie ablehnt, vergibt die Chance seines Lebens!
  • Nehmen Sie auf bestehende Bezie­hungen keine Rücksicht!

Tipps und Ratschläge für Männer
und Frauen in der Zeit des Kennenlernens 

(Phase 2)

  • Ziehen Sie so schnell wie möglich mit Ihrem neuen Partner zusammen!
  • Leben Sie Ihren sexuellen Hunger mitein­ander aus!
  • Wenn Sie im Bett mitein­ander harmo­nieren, haben Sie eine solide Grundlage für Ihre Partnerschaft.
  • Der nächste Urlaub sollte ein gemein­samer sein, in dem Sie nicht zulassen, dass Sie oder Ihre Partnerin bezie­hungs­weise Ihr Partner irgend­etwas vonein­ander ablenkt.
    Führen Sie Testsi­tua­tionen herbei, um den anderen an seine Grenzen zu bringen!
  • Bilden Sie mit Freunden eine Clique, in der es immer hoch hergeht!
  • Zeigen Sie Stolz und Ehrgefühl!
  • Brechen Sie hin und wieder einen Streit vom Zaun, um zu zeigen, dass Sie nicht pflege­leicht sind.
  • Zeigen Sie sich gelegentlich geheimnisvoll!
  • Greifen Sie nach einiger Zeit den Grundsatz auf: Es prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht noch was Besseres findet! 

Tipps und Ratschläge für Männer und Frauen
in der Zeit vorehe­lichen Zusammenlebens 

(Phase 3)

Sobald Sie den Eindruck vonein­ander haben, dass es passt, suchen Sie mit Ihrem Partner eine Wohnung für das gemeinsame Leben; aber unter dem Vorbehalt, dass eine offizielle Eheschließung noch viel Zeit hat. Lassen Sie sich gegen­seitig viel Freiheit! 

Für ihn:

  • Testen Sie Ihre Freundin, indem Sie Ihren besten Freund als Verführer auf sie ansetzen. Geht sie mit ihm ins Bett, trennen Sie sich von ihr! Das Risiko, Kuckucks­kinder zu bekommen, ist zu groß.
  • Machen Sie eine der Freun­dinnen Ihrer Partnerin an und schlafen Sie mit ihr. Dann weiß Ihre Partnerin 1., dass man Sie nicht anbinden kann und 2., dass Sie stark und allseits begehrt sind.

Für sie:

  • Seien Sie wider­spenstig, aber lassen Sie sich zähmen!
  • Betören Sie ihn mit allen Finessen Ihrer Weiblichkeit!
  • Zeigen Sie liebens­werte Fehler: unpünktlich, aber nicht übertrieben; unordentlich, aber nicht chaotisch; launisch, aber nicht zickig!

Tipps und Ratschläge für Männer
und Frauen zur Hochzeit 

(Phase 4)

Schließen Sie einen detail­lierten Ehevertrag, der auch Trennungs- und Schei­dungs­re­ge­lungen festlegt!

Für ihn:

Machen Sie Ihrer Frau nach Abgabe Ihres Ja-Wortes deutlich, was Sie von ihr erwarten:

  1. Sie soll einen Job haben und Geld nach Hause bringen.
  2. Die Verant­wortung für den Haushalt hat sie; Sie helfen gerne gelegentlich mit.
  3. Sie bekommt die Kinder, hat sie zu pflegen, zu betreuen und zu erziehen, soweit das nicht der Staat besorgt.
  4. Die Nachbar­schafts­kon­takte sollte sie pflegen; Sie sorgen fürs Prestige.
  5. Für Ihre Sorgen und den Frust im Job sollte sie immer ein offenes Ohr haben und Ihren Unmut tröstend bestätigen.
  6. Nachts sollte Ihre Frau jederzeit zu Ihrer Verfügung sein.

Für sie:

Machen Sie Ihrem Mann klar, welche Verant­wortung er mit seinem Ja-Wort übernommen hat:

  1. Ihnen den Freiraum für Ihre Karriere zu schaffen; schließlich schafft Ihr Einkommen die Voraus­set­zungen dafür, dass sie sich materiell nicht einschränken müssen.
  2. Gerne übernehmen Sie das Kommando im Haushalt, aber er muss unein­ge­schränkt mitarbeiten.
  3. Klar, Sie bekommen die Kinder und leben dabei Ihre Gefühle als Frau und Mutter aus, aber bei der Pflege und Erziehung der Kinder ist vor allem er als Vater gefordert.
  4. Nachbarn haben sie gemeinsam; aber machen Sie ihm deutlich, dass Sie ihn nicht unbeob­achtet lassen. Äußern Sie von Zeit zu Zeit Misstrauen!
  5. Freude und Leid sollten Eheleute mitein­ander teilen; aber das heißt nicht, dass Sie Müllab­la­de­platz für Ärger, Missmut und Enttäu­schungen sind.
  6. Sie brauchen die Nächte vornehmlich für erhol­samen Schlaf; liebe­volles Kuscheln ist ok. Wenn Sie keinen Bock auf mehr haben, verweigern Sie sich!

Tipps und Ratschläge für Männer
und Frauen im Ehealltag 

(Phase 5)

  • Beginnen Sie jeden Satz, den Sie zuein­ander sprechen, mit „Schatz”!
  • Passen Sie auf, dass Sie nicht in die Unter­po­sition gelangen: Lassen Sie nichts auf sich sitzen, sondern gehen Sie sofort zum Gegen­an­griff über! Drehen Sie den Spieß um und erinnern Sie an eine Situation, in der sich der Partner ähnlich — sagen Sie: genauso! — verhalten hat.
  • Zeigen Sie, dass Sie der Intel­li­gentere sind: Egal, was Ihr Partner sagt, schränken Sie seine Aussage ein, stellen Sie sie infrage, relati­vieren Sie sie oder stellen Sie sie richtig! Wenn es passt und Sie die Wahrschein­lichkeit auf Ihrer Seite haben, behaupten Sie das Gegenteil! Tun Sie das alles möglichst vor anderen Leuten und mit Witz, sodass Sie die Lacher auf Ihrer Seite haben!
  • Wenn der Partner Verhal­tens­weisen beibehält, von denen Sie glaubten, er würde sie Ihnen zuliebe ablegen, reagieren Sie stets pampig! Motto: „Irgendwann muss er es doch kapieren!”
  • Wenn Ihr Partner Ihnen nicht zu Gefallen ist, hebeln Sie ihn aus: „Wenn Du mich noch lieben würdest, Schatz …”!
  • Halten Sie Ihren Partner klein: Kriti­sieren Sie seine Reakti­ons­weisen, sein Äußeres, seine Einstel­lungen etc.!
  • Machen Sie bei jedem Fehler, der Ihrem Partner unter­läuft, darauf aufmerksam, dass Sie ihn bemerkt haben!
  • Halten Sie mit dem, was Sie sich von Ihrem Partner wünschen, dieser aber nicht erfüllen mag oder nicht erfüllen kann, nicht hinterm Berg! Sagen Sie es ihm, wann immer Sie es vermissen!

Für ihn:

  • Lassen Sie sich nicht zum Sitzpinkler degradieren!
  • Nutzen Sie beim Fernsehen jede Gelegenheit zum Zappen!
  • Kommen Sie beim Sex schnell zur Sache: Zeigen Sie unbändige Kraft! Demons­trieren Sie nicht zu zügelnde Stärke! Fragen Sie erst nachher: Warst Du auch?
  • Der Mann sollte der Herr im Haus sein. Denn einer muss ja das Sagen haben. Zeigen Sie, dass Sie der physisch stärkere sind.

Für sie:

  • Machen Sie ihm Szenen, wann immer er Ihnen auf die Nerven geht! Ziehen Sie alle Register des Ausflippens: weinen, schreien, spotten, zicken, poltern etc.!
  • Zeigen Sie ihm, dass Sie zur Furie werden können! Es darf Scherben geben.
  • Machen Sie ihn unerwartet mit Zärtlich­keiten mundtot, wenn er Ihnen zu wider­sprechen droht!
  • Laden Sie Freun­dinnen für den Abend ein, wenn Sie den Eindruck haben, er wolle immer nur das eine von Ihnen!
  • Schmollen Sie, wenn er sich Ihren Wünschen widersetzt!
  • Hungern Sie ihn sexuell aus, wenn er sich nicht lernfähig zeigt!
  • Seien Sie großzügig im Verzeihen, aber nicht ohne eine Buße aufzuerlegen!

Tipps und Ratschläge für Männer und
Frauen, wenn die Ehe zur Familie wird 

(Phase 6)

  • Lassen Sie sich durch die Schwan­ger­schaft in Ihrem gemein­samen Leben als Paar nicht stören!
  • Überlassen Sie es dem Frauenarzt, Sie über alles Notwendige zu informieren!
  • Halten Sie sich die Verwandt­schaft vom Leib, vor allem die Mütter!

Für ihn:

  • Gebären ist Frauen­sache. Lassen Sie sich nicht zur Memme machen, indem Sie bei der Geburt Händchen halten. Sie haben gezeugt, damit haben Sie Ihren Part geleistet. Fahren Sie Ihre Frau bei Einsetzen der Wehen ins Krankenhaus und gehen Sie dann mit Ihren Freunden in die Kneipe! Lassen Sie sich dort anrufen, wenn der Nachwuchs da ist! Dann können Sie mit Ihren Freunden gleich darauf anstoßen!

Für sie:

  • Verzeihen Sie ihm nie, wenn er Sie — aus welchen Gründen auch immer — bei der Geburt allein gelassen hat! Machen Sie ihm immer wieder einen entspre­chenden Vorwurf! Mal ernsthaft! Mal verächtlich! Mal ironisch! 

Tipps und Ratschläge für Männer und Frauen,
die Vater und Mutter geworden sind 

(Phase 7)

  • Seien Sie wortkarg, wenn Sie sich über Frau und/oder Kinder ärgern! Verfinstern Sie Ihren Gesichts­aus­druck! Zeigen Sie den Kids, dass sie oft lästig und nervend sind.
  • Beschränken Sie die Kommu­ni­kation auf das Notwendige, wenn der Partner Ihnen mit Reden auf den Wecker geht oder nicht sieht, was zu tun ist!
  • Wenn der Partner bei der Kinder­be­treuung nicht spurt und die Kinder deshalb mehr und mehr zur Belastung werden, stellen Sie ihn vorwurfsvoll zur Rede!
  • Wenn Sie merken, dass der Partner sich vor Aufgaben drückt, lassen Sie auch Ihrer­seits alles liegen und stehen, was Sie nicht unmit­telbar betrifft!
  • Verkrampfen Sie nicht, wenn Chaos ausbricht und alle unter Stress geraten, sondern reagieren Sie sich lautstark ab!

Für ihn:

  • Laden Sie Ärger, den Sie im Job haben, immer zuhause ab! Die Kinder sollen ruhig mitbe­kommen, dass das Leben kein Zucker­lecken ist, und Sie verschaffen sich so Erleichterung.
  • Wenn die Kinder lästig werden und die Frau hyste­risch wird, verab­schieden Sie sich in die Kneipe und lassen Sie sich vollaufen! Wenn Sie in der Nacht nach Hause kommen, zwingen Sie Ihre Frau zum Sex!
  • Belei­digen Sie Ihre Schwie­ger­mutter, wenn die immer wieder dazu kommt, um Ihrer Frau zu helfen! Schmeißen Sie sie raus, wenn sie auf Belei­di­gungen nicht reagiert!

Für sie:

  • Wenn Ihr Mann nicht merkt, dass Sie überfordert sind, veran­stalten Sie Wechsel­bäder: Lassen Sie ein paar Tage alles drüber und drunter gehen, dann mal wieder einen Tag Bemühen zeigen!
  • Erzählen Sie Ihrem Mann jeden Abend detail­liert, was Sie den ganzen Tag zusätzlich zum Job an mühevollen Arbeiten auf sich genommen haben!
  • Holen Sie möglichst oft Ihre Mutter dazu, damit sie Ihnen hilft — auch wenn Ihr Mann sie nicht mag! 

Tipps und Ratschläge für Männer und
Frauen, die sich getrennt haben 

(Phase 8)

  • Spätestens jetzt sollten Sie bei jedem Gespräch das Haar in der Suppe finden und zeigen, dass Sie dieses beliebig oft spalten können!
  • Wenn der Partner Ihre Haarspal­terei ignoriert, sollten Sie dazu übergehen prinzi­piell zu wider­sprechen: Behaupten Sie immer das Gegenteil seiner Aussagen! Ziehen Sie nach Möglichkeit Dritte hinzu und fordern Sie diese suggestiv auf, Ihre Behauptung zu bestätigen!
  • Leugnen Sie Daten und Ereig­nisse der gemein­samen Vergan­genheit oder verdrehen Sie diese! Belegt man Ihnen das Gegenteil, erwidern Sie achsel­zu­ckend: „Man kann sich ja mal irren!” oder „Also ich habe das anders in Erinnerung!”. 

Tipps und Ratschläge für Männer und
Frauen, die in Scheidung leben 

(Phase 9)

  • Seien Sie verletzend freundlich und korrekt zueinander!
  • Stellen Sie über Ihre Anwälte Höchst­for­de­rungen bezie­hungs­weise verweigern Sie alles!
  • Feilschen Sie bei der Güter­trennung und den Unter­halts­for­de­rungen um jeden Euro!
  • Wenn Kinder da sind: Kämpfen Sie um die Kinder oder zeigen Sie völlige Gleichgültigkeit!
  • Schimpfen Sie vor Ihren Kindern immer wieder auf Ihren ehema­ligen Partner!
  • Ziehen Sie möglichst viele ehemals gemeinsame Freunde auf Ihre Seite!
  • Sorgen Sie dafür, dass Ihre Verwandt­schaft Ihre Position offensiv vertritt!

Tipps und Ratschläge für Männer und
Frauen, die ihre Scheidung hinter
sich gebracht haben und wieder allein leben 

(Phase 10)

  • Vernichten Sie alles, was Sie an Ihren/Ihre Ex erinnert!
  • Gehen Sie unter Menschen und halten Sie Ausschau nach einem neuen Partner!
  • Lassen Sie sich hängen, wenn Ihnen danach zumute ist!
  • Sorgen Sie dafür, dass Ihr Hormon­haushalt sich ausgleichen kann!
  • Überlassen Sie Ihre Kinder mehr oder weniger Ihrem/Ihrer Ex bezie­hungs­weise dem Staat bezie­hungs­weise sich selbst!
  • Leben Sie als experi­men­tier­freu­diger Singl!
  • Überlegen Sie nach der dritten, vierten, spätestens nach der fünften Ehe, ob Auswandern Ihnen nicht eine inter­es­sante neue Perspektive böte!

Wer alle diese Tipps missachtet, dem sei Goldene Hochzeit sowie die Liebe seiner Kinder und Kindes­kinder gegönnt!

Alles Gute wünscht Paul Halbe.

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